Das krude Geschichtsverständnis der Harburger CDU

Die CDU-Fraktion in der Harburger Bezirksversammlung zeigt jüngst mit einem Antrag „Albert-Schäfer-Weg: Name beibehalten“ (Drs. 22-0349) in der Harburger Bezirksversammlung, dass auch sie ein sehr ignorantes Geschichtsbild vertritt. Es geht um den Albert-Schäfer-Weg im südlichen Eissendorf. 

Im Oktober 2022 hatten wir als Harburger Linke in einem Antrag (Drs. 21-2466) gefordert: „Verfahren zur Um- (Albert-Schäfer-Weg) bzw. Rückbenennung (Walter-Flex-Straße) in die Wege zu leiten.

Der Umbenennung vorausgehen sollen (…) öffentliche Veranstaltungen und mit ausdrücklicher Einladung der betroffenen Anwohnenden eine Informationsveranstaltung samt Behördenvertreter*innen sowohl die Um- bzw. Rückbenennung zu sondieren als auch über mögliche Umstände als auch Kostenübernahmen im Zuge des Umbenennungsverfahrens zu unterrichten.“

Dem vorausgegangen war eine Untersuchung einer Kommission aus acht Expert*innen für erinnerungspolitische Fragestellungen, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte. Die Kommission hatte zehn Mal getagt und einen  Abschlussbericht vorgelegt. Darin wurden auch zwei Straßen im Bezirk Harburg benannt: der Albert-Schäfer-Weg in Eißendorf sowie die Walter-Flex-Straße in Wilstorf.
Eine Vertreterin der Behörde für Kultur und Medien hatte dann sogar im Harburger Kulturausschuss im September 2022 ausführlich über die Umstände und das mögliche Prozedere berichtet und eine Um- bzw. Rückbenennung beider Straßen ausdrücklich (!) empfohlen.

Und Sebastian Justke aus der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg hatte in „Ein ehrbarer Kaufmann? Albert Schäfer, sein Unternehmen (die Phoenix-Gummiwerke in Harburg) und die Stadt Hamburg 1933-1945“, sehr detailliert ausgeführt, wie es Albert Schäfer nicht nur im Nationalsozialismus schaffte, den vorherigen Kolonialismus zur Gewinnung von Kautschuk durch die Ostgebiete zu kompensieren. Er schaffte es, nach dem Zweiten Weltkrieg seine Vergangenheit in ein Bild umzudeuten, dass ihn sogar zum Präses der Hamburger Handelskammer machte. Ihm ist sogar zu verdanken, dass überhaupt erst und nur anlässlich seines 75. Geburtstages das Hamburger Matthiae-Mahl seit 1956 wieder veranstaltet – und mit Steuergeldern mitfinanziert – wird.  Justke: Er „ist (…) ein typisches Beispiel für die Riege von Unternehmern, die zwar nicht in die NSDAP eintraten oder eine Funktion in einer ihrer Organisationen oder Gliederungen übernahmen, die aber dennoch am NS-System partiziperten und davon prifitierten.“ (Justke, S. 12)

All das ist für die Harburger CDU kein Grund nachdenklich zu werden: „Mit Albert Schäfer als Vorstandsvorsitzender der Phoenix Gummiwerke AG von 1933 bis 1949 ist die Erinnerung an die kampflosen Übergabe Hamburgs an die Alliierten im Jahr 1945 verbunden.“ Und so kommt die CDU zu dem Schluß: „Der Albert-Schäfer-Weg erinnert an die vielschichtigen Aspekte der deutschen Geschichte am Beispiel eines deutschen Wirtschaftsführers mit seinen Leistungen und Verstrickungen in den 1930er bis Ende der 1960er Jahre und soll daher als Straßenname in Harburg erhalten bleiben.“

Manche könnten nun meinen, es sei eben Wahlkampf, da würden gerne mal Themen nur so ins Gespräch gebracht. Wir sagen: diese Geschichtsauffassung zeigt, dass manche nichts aus der Geschichte lernen und jederzeit bereit sind, am rechten Rand zu fischen!