Zum 1. Januar 2023 verkündete Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die große Abkehr vom System des „Hartz IV“ (Arbeitslosengeld II für Langzeitarbeitslose): „Mit dem Bürgergeld hat die Bundesregierung eine große Sozialreform auf den Weg gebracht. Zum 1. Januar 2023 hat es das Arbeitslosengeld II abgelöst. Die staatliche Hilfe ist nun bürgernäher, unbürokratischer und zielgerichteter. Menschen in der Grundsicherung werden besser qualifiziert und damit in dauerhafte Jobs vermittelt. Außerdem wurde die Berechnung der Regelbedarfe auf eine neue Grundlage gestellt.“ So wurde es auf der auf Homepage der Bundesregierung dargestellt. Doch kaum ein Jahr später zeigt sich: außer dem Namenswechsel vom ungeliebten „Hartz IV“ auf „Bürgergeld“ hat sich an der Richtung nichts geändert. Der Haushaltsentwurf für 2025 (wird voraussichtlich am 8. Nov. 2025 verabschiedet) sieht drastische Kürzungen vor.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband übt scharfe Kritik am Haushaltsentwurf 2025: „Die getroffene Einigung geht zu Lasten besonders unterstützungsbedürftiger Menschen. Das fördert die soziale Spaltung, statt Zusammenhalt zu stärken“, so Dr. Joachim Rock, designierter Hauptgeschäftsführer des Paritätischen.
Während die Ampel mit den geplanten Verschärfungen im Bürgergeld drastische und völlig unverhältnismäßige Maßnahmen auf Kosten von Leistungsbeziehenden plane, drohe die Beschäftigungsförderung mit den geplanten Kürzungen vielerorts zum Erliegen zu kommen: „Das mit dem Bürgergeld verbundene Versprechen, Beschäftigung durch Qualifizierung und Weiterbildung zu fördern und Sanktionen zu reduzieren, wird mit dem vorliegenden Entwurf auf den Kopf gestellt“, so Rock. Der sogenannte Eingliederungstitel für Qualifizierung und öffentlich geförderte Beschäftigung werde nochmal reduziert, ein großer Teil davon drohe in Verwaltungausgaben der Jobcenter zu fließen und stünde dann nicht mehr für notwendige Hilfen zur Verfügung. Damit drohe vielerorts der Wegfall gerade von Hilfen für Langzeitarbeitslose.
Die angekündigte Erhöhung des Kindergeldes und des Sofortzuschlages um lediglich fünf Euro stehe in keinem Verhältnis zu der durch den Bundesfinanzminister geplanten Privilegierung einkommensstarker Familien, die durch höhere Freibeträge weitaus stärker profitierten: „Jedes Kind sollte der Bundesregierung gleich viel wert sein, stattdessen werden einkommensstarke Gruppe zusätzlich privilegiert. Soziale Ungleichheit wird zusätzlich verstärkt“, so die Befürchtung des Paritätischen.
Mit den geplanten Kürzungen drohten den bestehenden Angeboten für hilfsbedürftige Menschen massive Einschnitte. Die Förderung der Beratung und Versorgung Geflüchteter in Psychosozialen Zentren drohe nahezu halbiert zu werden, auch die Ansätze für die Asylverfahrensberatung lägen weit hinter den Bedarfen zurück. „Die Bundesregierung verkennt, dass so deutliche Kürzungen nicht nur zu einer weiteren Reduzierung von Angeboten, sondern zur Schließung von Einrichtungen und Diensten gerade in ländlichen Regionen führen können. Was einmal wegfällt, ist nur schwer wieder aufzubauen. Wir befürchten deshalb langfristige Schäden für die vielfältige, bürgernahe und gemeinnützige Infrastruktur im ganzen Land“, so Rock. Soziale Angebote drohten auch unter den angekündigten Reduzierungen im Bundesfreiwilligendienst und weiteren Freiwilligendiensten zu leiden. Hier seien Minderausgaben von 40 Millionen Euro vorgesehen.
In Harburg führte dies schon zu Schließungen (siehe Stern vom 25.09.2023) bzw. kompletten Neuausrichtungen von Sozialkaufhäusern wie dem fairKauf-Haus am Küchgarten, das nun als fairedelt durchzuhalten versucht (siehe harburg aktuell vom 26.03.2024).
Auch die Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit Hamburg e.V. sieht hier eine „Doppelklatsche für Hamburgs Langzeitarbeitslose“: „zum Jahresbeginn 2024 wurden 680 Arbeitsgelegenheiten und über 30 sozi-ale Stadtteilprojekte in Hamburg weggekürzt. Geschlossen wurden viele Sozialkaufhäuser und quartiersnahe Angebote für Menschen mit geringem Einkommen. Besonders betroffen waren die motivierten und engagierten Langzeitarbeitslosen, die nicht mehr arbeiten durften. Ein Skandal!
Angeblichen wollten Hansestadt und Jobcenter diese Kürzungen nun kompensieren und deutlich mehr geförderte sozialversicherungspflichtige Arbeitsangebote für Langzeitarbeits-lose schaffen. Leider Fehlanzeige! Das Jobcenter hat die Platzzahl seit der AGH-Kürzung nur um magere 63 Plätze gesteigert – die ohnehin in den Quartiersprojekten seit langem vorgesehen waren. Im 1. Halbjahr 2024 hat das Jobcenter Hamburg von den für die Eingliederung vorgesehenen Mitteln von 79 Mio. € nur 68 Mio. € verwendet und statt wie mit der FHH verein-bart 25% der Gelder des Jobcenters für Beschäftigung zu nutzen, sind es daher auch nur 20,7%. Leere Versprechungen!
Nun kommt es aber noch weit schlimmer: Der Bund kürzt nach dem aktuellen Haushaltsplan in 2025 dramatisch bei den Mitteln für die Eingliederung der steigenden Zahl an Langzeitar-beitslosen. Die Jobcenter bekommen in 2025 wesentlich weniger Geld für die Förderung ihrer Arbeitslosen. Dabei steigt die Zahl der Langzeitarbeitslosen und Langzeitleistungsbeziehenden, die bereits mehrere Jahre beim Jobcenter sind, beständig an!
Es sollen bei den Eingliederungsleistungen noch einmal 450 Mio.€ gestrichen werden, während die Verwaltungskosten der Jobcenter um 200 Mio. € steigen sollen (vgl. Einzelpläne zum Bundeshaushalt 2025, S. 688-689). Da dies (u.a. wegen der Tarifsteigerungen) nicht ausreicht, werden im Saldo diverser Taschenspielertrick noch einmal 665 Millionen Euro an Eingliederungsmitteln gekürzt. Ein Abgesang auf die Integration von langzeitarbeitslosen Menschen – in Zeiten, in denen genau dies sozialpolitisch unbedingt erforderlich ist, angesichts der Kampagnen, die Langzeitarbeitslosen wären faul und arbeitsunwillig. Auf der Strecke bleiben in Zeiten knapper Kassen gerade diejenigen, die am meisten Unterstützung benötigen: Menschen, die Zeit und Hilfe brauchen, um wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Für sie ist geförderte Beschäftigung und Engagement für die Gesellschaft wichtig.
Die „Ampel“-Aktion wird sich dramatisch auf die Lage der Langzeitarbeitslosen in Hamburg auswirken. Die nächste Kürzungswelle droht! Hier verlässt sich die zuständige Sozialbehörde seit Jahren fast ausschließlich auf Geld aus dem Bund und aus der EU, um Beschäftigungsangebote für arbeitsmarktlich und sozial ausgegrenzte, langzeitarbeitslose Menschen zu machen und hat sukzessive 90% ihrer eigenen Haushaltsmittel für den sozialen Arbeitsmarkt eingespart. Damit muss nun Schluss sein!
Wir fordern Senat und Bürgerschaft auf, ein Sofortprogramm gegen die soziale Spaltung zu initiieren, dass mindestens 300 zusätzliche geförderte Arbeitsplätze finanziert um damit dringend benötigte Angebote in Armutsquartieren neu aufzubauen oder zu stärken!
Die Zeit des Trittbrettfahrens ist vorbei, Hamburg muss Farbe bekennen gegen Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung!„