Die Schere zwischen Arm und Reich weitet sich

Der Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung liegt vor und er offenbart ein zutiefst widersprüchliches und in weiten Teilen unsoziales Weltbild.

Einerseits wird die Soziale Marktwirtschaft beschworen (S. 4), andererseits werden Maßnahmen favorisiert, die die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen werden.

Im Bereich Arbeit wird zwar die Fachkräftesicherung betont (S. 14), aber die Pläne zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die selektive Öffnung für Zuwanderung bergen die Gefahr des Lohndumpings und einer Verschärfung des Wettbewerbs um Arbeitsplätze. Die Betonung der „Eigenverantwortung“ der Arbeitslosen und die Pläne zur Sanktionierung von „Arbeitsverweigerern“ (keine direkte Nennung im Vertrag, aber implizit durch Fokus auf „Vermittlung in Arbeit“) zeugen von einem Menschenbild, das Arbeitslose stigmatisiert und unter Druck setzt.

Bei der Lohnpolitik bleibt der Koalitionsvertrag hinter den Notwendigkeiten zurück. Zwar werden „gute Löhne“ erwähnt (S. 14), konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung oder zur Erhöhung des Mindestlohns werden jedoch vermieden. Die steuerliche Begünstigung von Prämien für Teilzeitbeschäftigte (S. 14) ist ein Tropfen auf den heißen Stein und wird die prekären Beschäftigungsverhältnisse nicht grundlegend verbessern.

Die Pläne zur „Reform“ des Bürgergelds (auch hier gibt es keine direkte Nennung, aber ist im Kapitel „Arbeit und Soziales“ zu finden) lassen befürchten, dass der Druck auf Arbeitslose erhöht wird. Anstatt auf Qualifizierung und soziale Teilhabe zu setzen, droht eine Politik der Ausgrenzung und Bestrafung. Hartz IV kommt dann wohl mit doppelter Wucht zurück!

Im Bereich der Gesundheitsversorgung (S. 105) werden zwar die Herausforderungen benannt, aber die Vorschläge zur „Effizienzsteigerung“ und „Kostendämpfung“ lassen befürchten, dass die Qualität der Versorgung leiden wird. Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens wird weiter vorangetrieben, was zu einer Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin führen wird.

Die Ankündigungen im Bereich Wohnen (S. 22) sind zwar wohlklingend, aber es fehlt an konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot. Die Vorschläge zur Regulierung von Indexmieten und Kurzzeitvermietungen (S. 25) sind unzureichend und werden das Problem nicht lösen. Mietenbremse ist eben nur eine Bremse. Was wir brauchen ist eine Senkung und dann Deckelung der Mieten und klare Strafen gegen Missbrauch von Wohnraum!

Insgesamt ist der Koalitionsvertrag – wie zu befürchten war – von einem neoliberalen Geist geprägt, der auf Deregulierung, Privatisierung und Sozialabbau setzt. Die Interessen der Wirtschaft werden über die der Arbeitnehmer, Sozialhilfeempfänger und Schwachen gestellt. Eine Politik der sozialen Gerechtigkeit sieht anders aus.

Der Vertrag findet sich in Gänze hier.