Wie die ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen Rechtsstaat und Demokratie gefährdet
Von David Stoop
Mit einem einfachen Satz hat sich der Spitzenkandidat der LINKEN für den Bundestag, Jan van Aken, bundesweit ins Gespräch gebracht: »Ich bin der Meinung, es soll keine Milliardäre geben«. Von vielen wurde dieser Satz als reine Provokation abgetan, dabei hat diese Aussage einen realen Hintergrund.
Der Reichtum einiger weniger Milliardäre wächst, während das reale Einkommen vieler Lohnabhängiger sinkt und sie nicht wissen, wie sie durch den Monat kommen sollen.
Dass ausgerechnet die aus Arbeit erwirtschafteten Einkommen zurückgehen, während leistungslose Einkommen aus Erbschaften und Dividendenausschüttungen wachsen, verstärkt die gesellschaftliche Ungleichheit und bremst die wirtschaftliche Entwicklung durch die Schwächung der Binnennachfrage.
Dass viel Geld in den Taschen der Superreichen landet, merkt auch der Staat. Der Klassenkampf von Oben wird mit allen legalen und zum Teil auch illegalen Mitteln geführt und hat vor allem ein Ziel: eine wirksame Besteuerung des vorhandenen Reichtums zum Wohle der Allgemeinheit zu verhindern.
Das bekannteste Beispiel für die Aussetzung jeder Form von Steuergerechtigkeit in Hamburg ist sicherlich der im großen Stil von Banken betriebene Cum-Ex Steuerraub. Der Hamburger Untersuchungsausschuss zum Warburg-Fall und der Verstrickung von Tschentscher und Scholz in die Machenschaften der Bank steht kurz vor dem Abschluss. In einer folgenden Ausgabe des Bürger*innenbriefes werden wir nochmal ausführlich dokumentieren, auf welche Weise sich Scholz und Tschentscher die Interessen der Banker zu eigen gemacht haben und welche Konsequenzen aus den Cum-Ex Machenschaften für die Steuerverwaltung gezogen werden müssen.
Im Folgenden werden drei gänzlich andere Fälle dargestellt, die deutlich machen, wie Steuergerechtigkeit in Deutschland zugunsten der Superreichen negiert wird.
Eine Steuer als reine Theorie? – Das Steuer-Paradox der Vermögenssteuer Dass die LINKE sich seit ihrer Gründung für eine Vermögenssteuer einsetzt, wissen inzwischen viele. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass es bereits eine Vermögenssteuer in Deutschland gibt. Diese ist nie außer Kraft getreten, sondern wird seit 1997 lediglich nicht mehr erhoben. Für normale Steuerzahler*innen erscheint das zu Recht unlogisch:
Wie kann eine Steuer in Kraft sein, die faktisch nicht erhoben wird? Der Grund hierfür ist, dass das Verfassungsgericht 1995 entschieden hat, dass die veraltete Berechnungsgrundlage der Immobilienvermögen nicht weiter als Grundlage der Besteuerung herangezogen werden darf. Anstatt die Werte des Immobilienbesitzes neu zu ermitteln, entschied die damalige Parlamentsmehrheit aus CDU und FDP, die Steuer einfach nicht mehr zu erheben. Der finanzielle Schaden dieser Entscheidung ist erheblich: Berechnungen von Oxfam zufolge sind dem Staat durch die Aussetzung der Vermögenssteuer bis heute Steuereinnahmen in Höhe von 380 Milliarden Euro entgangen. Nachfolgende Regierungen von Rot-Grün bis zur Ampel hielten es jedoch nicht für nötig, daran etwas zu ändern.
Dabei gäbe es bei der Vermögenssteuer einiges zu holen: Das Privatvermögen der Deutschen beträgt rund 18 Billionen Euro. Die Hälfte der Bevölkerung allerdings besitzt so gut wie nichts. Der Reichtum konzentriert sich am oberen Ende der Einkommensskala. Und: Die Vermögen sind oft geerbt und keineswegs erarbeitet. Die Vermögenssteuer wäre daher auch ein Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit. Und sie käme als Landessteuer direkt dem Hamburger Haushalt zugute. Zu jeder Haushaltsverhandlung stellt die Linksfraktion deshalb den Antrag, Hamburg möge sich im Bundesrat für eine Initiative zur Wiedererhebung der Vermögenssteuer bemühen. Armer armer Milliardär: Wie reiche Erben sich bei der Erbschaftssteuer arm rechnen Die relevanteste vermögensbezogene Steuer ist die Schenkungs- und Erbschaftssteuer. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland Vermögen im Wert von mindestens 121,5 Milliarden Euro verschenkt oder vererbt. Die reale Zahl liegt weit darüber, da die Beträge unterhalb der Freibeträge (von beispielsweise 500.000 Euro für Ehepaare) nicht in die Gesamtsumme eingerechnet werden. Hieraus wurden Steuereinnahmen von 11,8 Milliarden Euro generiert. Dieser Betrag könnte jedoch erheblich höher liegen, denn die Erbschaftssteuer ist von zahlreichen Ausnahmen und Sonderregeln durchlöchert, die eines gemeinsam haben: Sie dienen den ganz Reichen. Die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung beispielsweise sorgt dafür, dass Millionenerben von der Steuerbehörde als bedürftig eingestuft werden können und sie keine Erbschaftssteuer zahlen müssen. Die Regelung gilt ab einem Erbe von mehr als 26 Millionen Euro. Erbt jemand ein reines Betriebsvermögen, der oder die kein eigenes Vermögen hat, kann die Person von der Steuer befreit werden.
Diese Regelung hat in einem besonders krassen Fall Matthias Döpfner genutzt: Dieser erhielt eine Schenkung von 1 Milliarde Euro in Form von Springer Aktien. Sein Vermögen hatte er zuvor ebenfalls in Springer Aktien investiert. Da er hiernach kein eigenes »betriebsfremdes« Vermögen mehr besaß, konnte er sich für »bedürftig« erklären und die Steuer vermeiden. Naturgemäß kann die Verschonung großer Betriebsvermögen nur von den ganz Reichen in dieser Gesellschaft reklamiert werden. Das Gleiche gilt für diverse andere Arten der Steuervermeidung, beispielsweise durch die Einrichtung von Familienstiftungen. Berechnungen von Finanzwende e.V. zufolge haben die Lücken und Schlupflöcher der Erbschaftssteuer zu Einnahmeverlusten in Höhe von 77 Milliarden Euro geführt. Geschlossen wurden die Lücken, trotz zahlreicher Anträge der Linken im Bundestag und in der Hamburgischen Bürgerschaft, bis heute nicht.
Des Kaisers Privilegien: Der Steuersumpf im Bismarck’schen Sachsenwald
Ein besonders skurriles Beispiel dafür, mit welchen Tricks sich die Reichen ihrem gerechten Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens entziehen, liefert die Familie Bismarck. Diese befindet sich seit einer Schenkung Kaiser Wilhelms an Otto von Bismarck im Besitz des nördlich von Hamburg gelegenen Sachsenwaldes. Den Bismarcks wurde allerdings nicht nur der Wald vermacht, sondern dieser wurde auch noch zum gemeinfreien Gebiet erklärt, in dem ein eigener Gewerbesteuer- Hebesatz gilt. Dieser fällt besonders niedrig aus.
Einer gemeinsamen Recherche des Teams vom »ZDF Magazin Royale« und von »FragdenStaat« haben 21 Unternehmen ihren Unternehmenssitz in einer Waldhütte im Sachsenwald bei Hamburg gemeldet. Die Gegend befindet sich im Besitz der Familie Bismarck. Die Recherchen legen den Verdacht nahe, dass die Unternehmen einen Sitz im Sachsenwald nur
vortäuschen, um von der dort geltenden günstigen Gewerbesteuer zu profitieren – faktisch werden die Geschäfte an anderem Ort geführt. Mit Unternehmen der Logistikgruppe Aves One GmbH und mit dem Energie-Investor Luxcara Energy GmbH sind zwei Firmen betroffen, deren wirkliche Geschäftstätigkeit den Recherchen zufolge in Hamburg durchgeführt werden – und nicht in Bismarcks Holzhütte. Aufgrund des bestehenden Anfangsverdachts auf Steuerhinterziehung habe ich zusammen mit Lorenz Gösta Beutin von der LINKEN in Schleswig-Holstein Anzeige gegen die in den Recherchen
erwähnten Hamburger Firmen und Einzelpersonen erstattet.
Inzwischen gibt es in Schleswig-Holstein überparteiliche Bestrebungen, die von Familie Bismarck zur Förderung von Steuerhinterziehung genutzten kaiserlichen Privilegien endlich abzuschaffen und den Sachsenwald in eine umliegende Kommune einzugemeinden. Diese Beispiele machen eines deutlich: Die Milliardäre dieses Landes kämpfen mit allen Tricks und Methoden dafür, ihren politischen Einfluss und ihre Vermögen zu vergrößern und ihren Beitrag zum Gemeinwesen verschwindend gering zu halten. Ihren Reichtum setzen sie dazu ein, ihre Interessen mit Hilfe willfähriger Lobbyist*innen, Rechtsanwält*innen, Wissenschaftler* innen und Politiker*innen durchzusetzen. Gegen diese machtvolle Interessensvertretung hilft es nur, sich zu organisieren und demokratische Gegenmacht aufzubauen.
DIE LINKE leistet dazu einen kleinen Beitrag im Parlament. Linke Opposition kann wirken, allerdings nur dann, wenn es eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung gibt, die der Interessensvertretung der Herrschenden etwas entgegensetzt.
David Stoop ist stellvertretender Vorsitzender der Hamburger Linksfraktion und Kandidat für die Bürgerschaftswahl