Unser Bundestagskandidat der Linken, Mark Roach im Gespräch:

„Wir brauchen Zukunftsverträge!“

Mark Roach, Jahrgang 1955, geboren im englischen Canterbury, kam mit zwei Jahren nach Deutschland, machte 1974 sein Abitur und trat nachfolgend eine Ausbildung zum Industriekaufmann an. 1984 zog er – wie so oft wegen des Jobs – von Berlin nach Hamburg. Er arbeitete als Gewerkschaftssekretär bei der Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und seit 2001 bei der ver.di-Bundesverwaltung. Er hat drei Töchter zwischen 31 und 39 Jahren und ist seit 2005 Mitglied in der Linken.

Hallo Mark, erst einmal schön, dass Du Dir Zeit für ein paar Fragen nimmst. Und mal vorab, wie bist du eigentlich zur Politik gekommen?

 

Mark Roach: Ich bin schon in der Schulzeit politisiert worden. Wir wollten als Jugendliche ein Jugendzentrum von der Stadt bekommen. Und nach dem Abi und mit dem Beginn meiner Ausbildung war für mich klar, dass ich Gewerkschafts- und SPD-Mitglied werde. 

 

Wie war dann Dein weiterer politischer Werdegang?

 

Mark Roach: 1974 bin ich sowohl Gewerkschaftsmitglied als auch SPD-Mitglied geworden. Willy Brandt und „der rote Jochen“ Steffen (Karl Joachim Jürgen Steffen war in den 1970er Jahren Politiker der SPD in Schleswig-Holstein und auch als Kabarettist mit seiner Figur Kuddl Schnööf bekannt, Anm. d. Redaktion) waren Vorbilder für mich. Mit Helmut Schmidt hatte ich dagegen immer Probleme, weil ich seinen Spruch, wer Visionen hätte, solle zum Arzt gehen, immer für grundfalsch hielt. Für mich muss ein richtiger Politiker eine Vision von einer besseren Gesellschaft haben und diese auch authentisch leben. Letztendlich aus der SPD getrieben hat mich aber dann Gerhard Schröder, der mit seiner Agenda-Politik eine zutiefst unsoziale Politik begonnen hat. Und die SPD hat sich davon noch immer nicht befreit. Wie schön, dass sich damals mit der WASG eine politische Alternative bildete, in die ich eintrat. Mit der Fusion wurde ich Mitglied der LINKEN.

 

Du bist im Grunde in Bergedorf verwurzelt und daher auch im Wahlkreis für den Bezirk Harburg Kandidat der Bundestagswahl. Wie und welche Arbeit gab es für Dich im Bezirk Bergdorf?

 

Mark Roach: 1984, als ich beruflich von Berlin nach Hamburg wechselte, habe ich zunächst in der Hastedtstrasse in Harburg gewohnt. Eine wunderschöne alte genossenschaftliche Siedlung mit einem riesigen, grünen Innenhof, aus den 1920iger Jahren. 1986 nach der Geburt meiner ersten Tochter sind wir dann nach Neuallermöhe gezogen. Also bin ich gewissermaßen eher im ganzen Bundestagswahlkreis verwurzelt (lacht).

 

Verstehe. Aber wie gestaltete sich deine politische Arbeit bisher?

 

Mark Roach: Mit meinem Einstieg in die Ausbildung wurde ich Gewerkschaftsmitglied. Ich arbeitete in der Gewerkschaftsjugend mit, kandidierte nach dem Ende der Ausbildung und der Übernahme als Betriebsrat, war Tarifkommissionsmitglied und machte erste, wichtige Erfahrungen. 1979 wechselte ich in die hauptamtliche Tätigkeit bei der Gewerkschaft, musste nicht mehr einem Konzern und seinen Aktionären dienen.

Bei der Gewerkschaft durfte ich mich zunächst um die Jugendarbeit kümmern. Eine tolle Erfahrung. Wir haben die Berufseinsteiger begrüßt und zur Gewerkschaft gebracht, haben sie aktiviert und motiviert erste Erfahrungen als Jugendvertreter*innen zu sammeln. Dann haben wir durchgesetzt, dass aus der Jugendvertretung, die nur von den unter 18-Jährigen, die Jugend- und Auszubildendenvertretung wurde. Alle Azubis durften nun auch wählen. Ein wichtiger Erfolg für die Gewerkschaft, übrigens unter Kohl, CDU, durchgesetzt. Und gegen den ausdrücklichen Willen der SPD. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich in einer Hamburger Berufsschule auf den Bundestagsabgeordneten Olaf Scholz traf und er heftig mit mir darüber stritt!

1992 bin ich dann in die Erwachsenenarbeit der Gewerkschaft gewechselt. Da wurde gerade eine Tätigkeit in der Betreuung von Banken und Versicherungen frei. Da habe ich auf einmal hier in Hamburg viel mit hoch qualifizierten freigestellten Betriebsräten zu tun gehabt und von diesen viel lernen können. Ich habe dort die ersten Rationalisierungswellen erlebt, unter dem Stichwort Lean-Banking. Die Finanzkrise 2007/2008 brachte viel Verunsicherung und Debatten über mehr und bessere Regulierung. Da durfte ich meine Gewerkschaft dann bei Anhörungen im Bundestag vertreten.

Schließlich habe ich als Konzernbetreuer bei der Commerzbank, das Zusammenwachsen der Betriebsräte aus der Commerzbank und der ehemaligen Dresdner Bank – wie ich meine – erfolgreich begleiten können. Da ist eine sehr schlagkräftige und gut organisierte Betriebsgruppe entstanden. Und „nebenbei“ habe ich im Bereich der Genossenschaftsbanken Tarifverhandlungen geführt. Sowohl bei kleineren Bankgruppen wie den Sparda-Banken oder den PSD Banken aber auch in den Rechenzentren der Genossen.

Auf eine ganze Reihe von Erfolgen kann ich also sehr stolz sein. Du kannst dir aber vorstellen, dass einem als aktiver Gewerkschaftssekretär, zumal auf Bundesebene tätig und dazu noch Familienvater, nicht mehr viel Zeit bleibt, auch vor Ort in der Kommunalpolitik mitzumischen. Insofern habe ich meine Partei aber immer auch bundes- oder landespolitisch unterstützt.

 

Abwechslungsreich, aber sicher auch anstrengend. Ich hoffe, es gab dabei auch schöne Momente …

 

Mark Roach: Das Highlight war sicher der achtwöchige Erzwingungsstreik der Belegschaft einer Back-Office-Einheit einer Volksbank im Münsterland. Die Bank hatte die Einheit ausgegliedert und die Beschäftigten ihre Tarifbindung verloren. Nach wenigen Jahren merkten sie, dass die Versprechungen des Vorstandes nichts wert waren, denn ihre eigenen Gehälter stiegen nicht mehr. Sie kamen zur Gewerkschaft, wollten sich wehren. Unter meiner Führung wollten wir einen Haustarifvertrag erzielen und dazu verhandeln. Als der Arbeitgeber sich verweigerte, ist die Belegschaft in den Streik getreten. Zuerst mit einem Warnstreik. Dann sollte es ein kurzer, auf wenige Tage begrenzter Streik sein. Aber der Arbeitgeber wollte immer noch nicht. Und erst nach acht Wochen im Dauerstreik waren wir schließlich erfolgreich. Ich habe noch heute großen Respekt vor der Kampfkraft und dem Durchhaltewillen dieser Kolleg*innen!

 

Gratulation! Und wenn Du an die weniger schönen, vielleicht auch schrecklichen Momente denkst … ?

 

Mark Roach: Schrecklich? Da ist wohl das Vorgehen einer Volksbank bei Stuttgart hervorzuheben, die versucht hat, mit Hilfe eines inzwischen berüchtigten Rechtsanwaltes, eine Betriebsratsvorsitzende aus dem Betrieb zu drängen. Ein dreiviertel Jahr dauerte diese heftige Auseinandersetzung in deren Folge dieser Kollegin dreimal fristlos und unzählige Male fristgerecht gekündigt wurde. Noch schlimmer war aber der Psychoterror, dem die Kollegin ausgesetzt war. Da folgten ihr auf einmal private PKWs, wichtige Briefe, wie Kündigungen und so wurden der Kollegin vorzugsweise am Samstag persönlich zugestellt – ob zu Hause oder beim Einkauf. Schließlich konnten wir, auch mit Hilfe der Kirche und der Politik vor Ort die Bank in eine Mediation zwingen. Im Ergebnis wurden alle Kündigungen zurückgenommen, die Kollegin konnte weiterarbeiten und ihr Betriebsratsmandat fortsetzen. Allerdings ist die Auseinandersetzung und die daraus folgende Belastung nicht spurlos an der Kollegin vorbei gegangen. Sie hat lange Zeit körperlich wie psychisch gelitten.

 

Nun mal zu Deiner Bundestagskandidatur: Was genau willst Du für Harburg, Bergedorf und auch Hamburg wie bundesweit erreichen?

 

Mark Roach: Das Thema Klima steht für mich ganz weit vorn! Harburg und Bergedorf haben ja schon erste Kostenproben der Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen. Starkregenereignisse haben zu heftigen Überschwemmungen geführt, Sturmfluten treffen Hamburg und die ganze Küste immer häufiger. Meteorologen verweisen darauf, dass wir schon vor 2,5 bis 5 Millionen Jahren mal so eine hohe CO2-Konzentration in der Luft hatten. Dumm ist nur, dass deshalb der Meeresspiegel damals um 20 Meter über dem heutigen lag. Und das ist es, worauf wir uns einstellen müssen. Wollen wir darauf warten, dass das wieder passiert, oder wollen wir etwas unternehmen, gegen den Klimawandel? Und zwar schnell und grundlegend! Dies Thema ist existenziell!

 

Wo siehst Du die Herausforderungen für die Zukunft?

 

Mark Roach: Wir müssen schnell und radikal die CO2-Emissionen senken! Das heißt, dass wir erneuerbare Energien massiv ausbauen müssen. Wieso hat es der Senat versäumt auf den Dächern von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden Fotovoltaik zu installieren? Wieso hat der Senat immer noch nicht genug Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen? Warum müssen die Aldi-, Lidl- oder sonstige Parkplätze nicht mit Photovoltaikanlagen nachgerüstet werden? Sie würden obendrein noch Schatten spenden!

Und wir müssen die Gebäudeheizungen von Öl- und Gasheizungen auf Erneuerbare umstellen. Warum verpflichtet der Hamburger Senat nicht die Wohnungsbaukonzerne, auch die Genossenschaften, mit gutem Beispiel voranzugehen? Hier gibt es trotzdem – aber meist aus Eigeninitiative – gute Beispiele. Wie den Harburger Eisenbahnerbauverein, der mit seinen Eisspeichern ganze Wohnblocks umgerüstet hat.

Im Verkehr muss es uns schnell gelingen, die Pendelverkehre auf den HVV umzulenken. Ob im Berufsverkehr oder der Anfahrt zum Volksparkstadium oder Kinos oder Einkaufs-Center. Am besten ginge das über Tempolimits und eine City-Maut.

Und schließlich müssen wir die Industrieproduktion umstellen. CDU, SPD und Grüne überbieten sich in Vorschlägen, wie sie die Industrie aus der Wirtschaftskrise hinausfördern wollen. Dabei wollen sie das Geld einfach so – bedingungslos – verschenken. Dabei wäre es ein leichtes, Zukunftsverträge mit einzelnen Betrieben abzuschließen. Der Staat würde die Umrüstung auf klimaneutrale Produktion unterstützen, mit Hilfe sogenannter Contracts of Difference. Damit wäre einerseits der Wirtschaft geholfen, sie aber gleichzeitig auch gegen den Klimawandel fit gemacht!

 

Vielen Dank für das Interview, Mark, und ich hoffe, viele Menschen werden Dich in den Bezirken Harburg und Bergedorf wie auch Wilhelmsburg mal persönlich kennenlernen! Und gutes Gelingen!